Abschluss des Glaubensjahres: von der Betrachtung des Antlitzes Christi gestärkt und ermutigt

Print Mail Pdf

serodine-P.medita in carcere

»Anbetung. Man spricht wenig von der Anbetung!« Diese Bemerkung von Papst Franziskus in einem betrübten und sorgenvollen Ton kann den Sinn einer der Gesten zum Abschluss des Glaubensjahres verstehen lassen. Zur Bestätigung kann man einen weiteren Gedanken des Papstes hinzufügen, den er in seiner Ansprache an die Seminaristen, Novizen und Novizinnen zum Abschluss ihrer Wallfahrt zum Ausdruck gebracht hat. Auch in diesem Fall wich er vom ursprünglichen Manuskript ab und sagte: »Einer von euch, von euren Ausbildern, hat mir neulich gesagt: ›Évangéliser on le fait à genoux.‹ – Die Evangelisierung wird kniend getan. Hört gut: ›Die Evangelisierung wird kniend getan.‹ Seid immer Männer und Frauen des Gebetes! Ohne die ständige Beziehung zu Gott wird die Sendung zum Geschäft.«

Worte, die Musik sind in den Ohren desjenigen, der wie der Unterzeichnete in der Schule von Hans Urs von Balthasar groß geworden ist. Der große Theologe des vergangenen Jahrhunderts kritisierte einige Strömungen, die von einer »knienden Theologie« zu einer am Schreibtisch »sitzenden Theologie« übergegangen waren, und forderte zur Wiedergewinnung der Spiritualität und der Heiligkeit als konsequente Form christlichen Lebens auf.

Die Einheit zwischen Aktion und Kontemplation ist einer der Angelpunkte, die der Glaube zum Ausdruck bringt und der immer wieder bekräftigt werden muss. Und deshalb hat Papst Franziskus beschlossen zum Abschluss des Glaubensjahres am kommenden 21. November für einen Augenblick des Gebetes ein Klausurkloster aufzusuchen. Der Glaube lebt hauptsächlich aus der Anbetung. Denn die Begegnung mit Christus erfordert, dass die Antwort der Gläubigen der Betrachtung seines Antlitzes entspringt. Der Tag »pro orantibus« wird so zu einem Zeichen dafür, dass der Glaube eine Hilfe ist bei der Suche nach dem Wesentlichen.

Vor dem Glaubensgeheimnis ist das Gebet die erste und realistischste Haltung, die einzunehmen ist. Die Kontemplation entfernt aber keineswegs von den alltäglichen Verpflichtungen und Sorgen. Im Gegenteil. Sie ermöglicht es, den täglichen Mühen einen Sinn zu geben und sie auf sich zu nehmen. Die Freude, die jener Begegnung entspringt, ist weder künstlich noch auf einen emotionalen Augenblick beschränkt, sondern sie ist Bedingung dafür, in die Tiefe zu blicken und das zu erkennen, was zu leben sich lohnt.

Nur eine oberflächliche theologische Sichtweise hat ein Auseinanderdriften schaffen können zwischen der Liebe zu Gott, charakteristisch für den, der betet, und der Liebe zum Nächsten, die dem zu eigen ist, der handelt. War nicht für Jesus selbst die Kontemplation des Vaters jener Moment, der ihn auf seine Evangelisierungstätigkeit vorbereitete? Dem Glauben wieder Kraft zu geben, bedeutet also, die Reziprozität zwischen Kontemplation und christlichem Handeln zu prüfen. Erstere ist die Vorbedingung für ein konsequent evangeliumsgemäßes Handeln, während dieses wiederum notwendige Voraussetzung ist, damit die Kontemplation echt ist.

Das kontemplative Leben hat diese beiden Momente zu vereinen gewusst. »Ora et labora« bleibt in der Kirche die glücklichste Synthese, zu der der Glaube führt. Das Kloster der Kamaldulenserinnen auf dem Aventin, das Papst Franziskus besuchen wird, zeigt diese Dimension in besonderer Weise. Seine Öffnung für die Stadt durch den Dienst der Lectio divina und die Armenküche offenbart das Ziel, zu dem die Kontemplation führt: das Teilen dessen, was man besitzt. Es ist in der Tat nicht möglich, das Antlitz Christi zu betrachten, ohne ihn dann im bedürftigsten, weil am meisten leidenden »Fleisch« zu erkennen.

Auch dieses Zeichen ist eine Vorbereitung auf die Abschlussfeier eines gnadenreichen Jahres. Es war gekennzeichnet vor allem durch das Glaubensbekenntnis, das Millionen von Pilgern am Grab Petri abgelegt haben.

In diesem Kontext wird es ein weiteres herausragendes Zeichen geben: zum ersten Mal werden die traditionell dem heiligen Petrus zugeschrieben Reliquien ausgestellt. Der Glaube des Petrus, der sein Leben für den Herrn hingegeben hat, wird so nochmals bestätigen, dass die »Tür« zur Begegnung mit Christus uns immer offen steht und darauf wartet, mit derselben Begeisterung und Überzeugung durchschritten zu werden, von der die ersten Christen erfüllt waren. Einen Weg, von dem die Christen von heute wissen, dass sie ihn unermüdlich gehen müssen, weil sie von der Betrachtung des Antlitzes Christi gestärkt und ermutigt werden.

  Rino Fisichella